Thomas Unterhofer

Was die größte Leidenschaft von Thomas ist, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich die Vielfalt und die Musik. Sein Ziel ist dafür ganz klar: die Monokultur aufbrechen und den Hof für die nächsten Generationen fit machen. Auf dem Familienbetrieb „Von Egger“ tummeln sich viele kleine Ökosysteme, die uns auf den ersten Blick verborgen bleiben.

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Ich kann dann wenigstens sagen: Ich habe es versucht.

26. April 2024 – Text: Meike Hollnaicher, Fotos: Meike Hollnaicher, Thomas Schäfer

Die Tage beginnen früh am Hof. Als wir Thomas letzten Sommer an seinem Erntetag zum Dreh trafen, war die Sonne noch nicht ganz aufgegangen. Zum Glück, denn uns erwartete ein heißer Tag. Seine routinierten Handgriffe ernteten, wuschen und bündelten das Gemüse welches er dann am nächsten Tag an seine Kundschaft auslieferte. Dazwischen gab er uns einen Einblick in seine Vision: Die Monokultur aufbrechen. Er ist auf einem klassischen Obst- und Weinbaubetrieb aufgewachsen und hat sich vorgenommen, nach und nach wieder mehr Vielfalt auf dem Hof zu etablieren. Die Klimakrise beschäftigt ihn sehr und wie alle anderen Landwirt:innen bekommt er sie hautnah zu spüren. Das finanzielle Risiko wird stets größer, lässt sich aber durch die Diversifizierung der Kulturen am Betrieb verringern, weiß Thomas.

Viel mehr als nur ein Baum

Obwohl es schon immer sein Wunsch war den Hof einmal zu übernehmen, entschied er sich zunächst für ein Musikstudium im Ausland, denn das Horn ist eine seiner großen Leidenschaften. Eine Weile wo anders zu leben war sehr wichtig für ihn, um einen frischen Blick auf den Betrieb und die eigene Vision zu bekommen.

Nicht viele haben das Glück den Familienbetrieb schon so jung übernehmen zu können. Dennoch ist die Hofübergabe immer eine große Herausforderung für alle. Eine gemeinsame Vision über drei Generationen hinweg zu finden, ist in den seltensten Fällen ein harmonischer Prozess, aber immer ein Prozess in dem jeder viel über sich lernen kann. Der heute 26-Jährige ist sehr dankbar für die Generationen vor ihm, die den Betrieb immer dem Zeitgeist entsprechend auf neuestem Stand gehalten haben.

Heute, etwas weniger als ein Jahr später, stehen wir zwischen blühenden Apfelbäumen und Weinreben. Thomas blickt sehr zufrieden zurück auf seine erste Saison im Gemüseanbau. Er hat alles mal durchgemacht – verhagelte Ernte, Wildtiere im Garten, überhitztes Gewächshaus – diese Risiken gehören dazu. Dennoch hat das System Marketgarden für ihn sehr gut funktioniert und er hat mit Gastronomen aus dem Umland zuverlässige Abnehmer gefunden.

Aber der Blick zurück ist nicht das, was Thomas ausmacht, auch nicht seine beachtliche Sammlung an Baseball Caps, sondern eher seine unbeirrbare Aufmerksamkeit, die sich auf die Zukunft richtet. Er ist fasziniert und überzeugt vom Konzept der regenerativen Landwirtschaft. Diese bringt Boden, Tier und Mensch in einem Kreislaufsystem zusammen, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, die Biodiversität zu steigern, Kohlenstoff in der Erde zu binden und vor allem: Den Betrieb für die Zukunft fit zu machen. Die ständige Bedeckung des Bodens durch Pflanzen und Bäume hilft dabei Wasser zu speichern und schützt vor Erosion, was vor allem am Hang (der Hof besteht praktisch nur aus Hang) unerlässlich ist. Die Tiere spielen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle in diesem System. Ob salopp gesagt als Rasenmäher oder Düngemittel, fördern die hauptberuflichen Bodenbearbeiter:innen die Vielfalt der Mikroorganismen.

Blick in die Zukunft

Noch ganz verschwitzt vom anstrengenden Tag, zückt Thomas sein Handy und liest uns ein Zitat vor, das ihm seine Mutter zur Feier des Tages geschickt hat: „Wer Bäume pflanzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.“ –Rabindranath Tagore. Seine Mundwinkel zucken nach oben. Vielleicht ist er ein bisschen stolz und das kann er auch sein!

Kurz darauf wirkt sein Blick jedoch konzentriert, eine tiefe Falte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen. Er überlegt, was uns wohl die zukünftige Generation sagen wird, wenn sie erfährt, dass wir seit Jahrzehnten genau wussten, dass wir unaufhaltsam auf eine Klimakatastrophe zusteuern, aber nicht entschieden genug gehandelt haben. Er schüttelt voller Unverständnis den Kopf. Ein bisschen macht es ihm schon Angst. Und dennoch ist er überzeugt: „Ich kann dann wenigstens sagen: Ich habe es versucht.“

Mehr über Thomas in unserem Dokumentarfilm, der Ende 2024 fertiggestellt wird. Freut euch drauf!

PS: Wir suchen immernoch Sponsoren für den Film, meldet euch gerne mit Ideen, oder wenn ihr etwas beisteuern möchtet. Wir sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft unsere Arbeit fördert.

Mit dazu gehört auch ein Agroforstsystem, welches das Strukturelement Baum in den landwirtschaftlichen Betrieb integriert. Wir durften ihn heute bei der Pflanzung seiner ersten Bäume begleiten. Thomas ist fasziniert von den vielen Vorteilen, die ein Baum zwischen den Weinreben und auch im Garten mit sich bringt. Im Weinbau schützt er beispielsweise die Trauben vor Sonnenbrand, und speichert Feuchtigkeit im Boden, um die Reben vor Trockenstress zu schützen. Wenn er über Bäume spricht, hat Thomas ein besonderes Leuchten in den Augen. Jeder Baum für sich ist ein eigenes Ökosystem und unglaublich komplex. Für jemanden, der wie er sehr systematisch denkt und gerne mit Perfektion an Dinge herangeht, gibt es keine schönere Vorstellung, als das Bild vor seinem inneren Auge: Drei Ebenen, die vor Biodiversität nur so strotzen – Boden, Pflanzen und Baumkronen.

Neue Systeme für neue Zeiten